Donnerstag, 17. September 2009

Buch 4 - im Blauen Haus 2

Buch 4


(Die Einführung zu dieser Geschichte über Ragi und Stefan
steht im Buch 1 unter http://RagiundStefanEins.blogspot.com )
(für alle meine Google-Blogs: http://Mein-Abenteuer-mein-Leben75.blogspot.com )
(dieser Blog "Buch 4" hat die Adresse: http://RagiundStefanVier.blogspot.com )






Kapitel VII — wie Laub geschüttelt ...

Wir treffen uns wieder in ihrem Blauen Haus. Wohlig liege ich auf der bunten Bank mit dem tanzenden Shiva-Bild darüber und lasse mich von Ragi streicheln, und nun kommt der vierte Spruch aus Indien in unser Tun:

Wenn in einer solchen Umarmung eure Sinne,
geliebte Prinzessin, geliebter Prinz,
erzittern und wie Laub geschüttelt werden,
so erlebt beide dieses Schütteln
und geht tief hinein und gebt euch ganz verloren.

Ragi streicht mit einem Finger, mal mit zwei oder drei Fingern über meinen Bauch, ganz bis an die Kehle und unter das Kinn, dann ganz bis nach unten an den Rand des Lingam und seitwärts an ihm vorbei über die Innenseite eines Schenkels — langsam hin und her, ganz leicht, und weich zittert ihr Finger dabei. Obwohl ich noch zwei Hemden und die Hose anhabe, fängt mein Leib an zu zittern, erst ganz leicht — eben wie Espenlaub in Wind —, doch nach einiger Zeit immer heftiger. Ich glaube, es ist ihre Frau-Energie, die das erzeugt: durch ihre lebendigen Finger in mich hinein geleitet. Nach ein paar Minuten beginnt mein Körper, sich zu bäumen und hin und her zu wälzen, Ragis Körper ähnlich, obwohl sie sitzt. Nun legt sie die ganze Hand auf meinen Leib, und bewegt die Hand wie vorher den Finger. Es zittert in mir wie trockenes Laub im Wind. Ich habe kaum Einfluß auf das alles, doch wenn ich ganz fest wollte, könnte ich das stoppen, will es aber nicht, ich lasse es wie es geht. Hinterher sagt Ragi, ich hätte gestöhnt und andere genießende Töne gemacht, ja, süße Töne sagt sie.

Auch eine andere Sicht habe ich, als es zittert in mir wie trockenes Laub im Wind: in meiner Brust spüre ich tatsächlich dieses trockene Rascheln, ich sehe die staubtrockenen Blätter in meiner Brust sich leicht bewegen, trocken raschelnd — dann ist alles wieder weg.

Doch Anuragini kommt herein, schaut zu und bringt eine Wendung: Ich glaube, du schmeißt alles, was sie dir gibt, mit dem Zittern und Schütteln wieder hinaus, dein Körper wirft es wieder ab, du läßt es gar nicht an deine Seele heran kommen. Dein Zittern ist Ausdruck für die Ablehnung. Was Ragi dir gibt, bleibt ja an deiner Oberfläche, in der Haut und nur eben darunter — du lässt es ja gar nicht tief in dich hinein. (Später erklärt sie mir: nimm das nicht so wörtlich, ich sage so etwas nicht, um dich etwas zu lehren, sondern um deine Aufmerksamkeit auf eben diesen Augenblick zu lenken, dann vergiß es wieder — eine ungewohnte Art, anderen etwas mitzuteilen, finde ich, gewöhne mich aber an ihre Art).

Wir hören auf und warten, was nun kommt. Ragi nimmt ihre Hand wieder weg und sieht ihre Mutter an, voller Erwartung. Ich weiß, es gehört sich nicht, doch ich bleibe liegen während Anuragini — mit langen Pausen — weiter spricht:

Ich denke, vielleicht sollte es aber so sein: du, Stefan lässt deinen Körper ganz still sein und liegen, lässt ihn warten und alles beobachten. Da ist dein Körper, du spürst ihn vollständig außen und innen, alle Schichten, Organe, Strömungen, er ist einfach so da, lass ihn so sein. Fühle nun das, was da jetzt zu dir kommt. Aber: tue nichts dafür, daß es in dir geschieht, tue nichts dafür. Diese Energie von Ragi: laß sie still tief in dich hineinsinken, immer tiefer, behalte alles in dir, sei ganz still. Es ist alles für dich, wirf es nicht wieder fort. Voller Verehrung und Verwunderung sieht Ragi ihre Mutter an.

Ragi berührt wieder meinen Bauch, und nun dringt es nach innen, wie ein winziger Pfeil, der von ihrer Fingerspitze ausgeht, so dringt leichtes Zittern in meinen Leib hinein. Ganz leichtes Spüren ihres Fingers geht nun durch meinen Körper und macht mich glücklicher noch als vorher.

Es ist mir, als ob am ganzen Körper eine leichte Spannung in der Haut ist, kein Zittern. Das ist nun neu: ohne Zittern, aber Spannung. Ragi´s Energie bleibt erstmal in der Haut und eben darunter, dann sinkt sie tiefer.

Anuragini sagt weiter, immer langsamer sprechend: Am Anfang zwar ist dieses Schütteln wie Espenlaub schön und ein guter Beginn, eine Einführung, — doch bald gehe weiter: tiefer, gib dich ganz hin, ganz verloren, ja verloren, in eine große leere Tiefe hinein verloren. Innen in dir ist diese große, leere Tiefe. Es könnte so sein: du klappst nun die Energie von der Oberfläche aus in die Tiefe, in deine tiefste Tiefe. Doch laß alles wie es geht, dränge den Körper nicht, sich etwa noch mehr oder weniger zu schütteln, mach´ keine Methode daraus. Dann würdest du nämlich an der Tiefe dieses Erlebnisses vorbei gehen, du würdest versäumen, was dir angeboten wird.

Es ist mir, als ob tief innen eine große Wärme sich ausbreitet.

Dann ist da keine Wärme mehr, kein Gefühl mehr, nur noch diese unendliche Tiefe — ist so der Tod? Das Nichts? Dennoch sehe ich alles, kann es mit inneren Sinnen beobachten.

Ragi nimmt ihre Hand erstmal zurück und wartet ...

Nach langer Zeit beginnt sie wieder und ich komme wieder ein wenig in diese Welt zurück und fühle meinen Körper.

Während Ragi dich berührt stell dir vor, daß tief in der Mitte deines Körpers die Energie von Ragi sich ansammelt und voller Erwartung ist, wie es weiter gehen wird: vielleicht wird sie zu deiner Stärke, vielleicht macht sie dich noch gesunder als du schon bist, vielleicht drängt sie zu einer großen Explosion, vielleicht mußt du plötzlich aufspringen und die angesammelte Energie abschütteln ... sieh genau hin, was geschieht, auch in den feinen Schichten in dir, doch auch in den groben Schichten.

Ragi legt sich neben mich.

Und so kommen unsere Körper sich immer näher, und statt des Schüttelns kommen da große Bewegungen, die viel Kraft in sich haben. Nur diese Bewegungen an einander ... und wie wir uns nach einer Stunde oder so wieder trennen, gehen diese Bewegungen in langen Wellen durch meinen Körper, immer weiter. Schließlich wandern diese Wellen der Erregung von oben nach unten, lange Wellen, will ich mal sagen, kein Zittern mehr, aber voller Kraft. Lange geht es so, auch als wir weit von einander entfernt sitzen, uns kaum ansehen. Anuragini deutet auf das, was da geschieht: einander habt ihr euch angeregt — nun geht es weiter, ohne daß ihr die oder den anderen noch nötig habt. In Lakshmanjoo´s Sprüchen heißt es dazu:

Selbst nur in der Erinnerung an die Vereinigung,
ohne Umarmung — die Verwandlung.

Nur die Erinnerung an das was mal war, kann dich verwandeln.



Kapitel VIII - Mein Elternhaus, mein altes Leben

Zwei Leben lebe ich nun: einmal dieses hier mit den beiden Tantra-Frauen, und dann das andere Leben im Haus meiner Eltern, das übliche Leben, und in der Schule. Ich mag meine Familie, irgendwie, doch nicht mehr ganz: alles erscheint mir nun platt; gewöhnlich ist es bei denen, es ist nicht mehr lebendig, war es nie, ist so einfarbig, trocken. Ach: hasse ich das vielleicht? Kann das sein? Hasse ich etwa diese Trockenheit?

Doch hier ist es bunt — soll ich umziehen, in das Blaue Haus? — mit seinen bunten Bewohnerinnen?

Wenig erzähle ich zuhause von meinen Begegnungen und Erlebnissen mit Ragi und ihrer Mutter. Das Wort Tantra erwähne ich nie, mir scheint, ich sollte mich nicht zu weit vorwagen. Glücklicherweise hat niemand in meiner Familie wirklich Interesse an dem, was mit mir gerade geschieht — es ist meine Zeit der Verwandlung, einer zauberhaften Verwandlung. Werde ich nun ein Stück erwachsen? Anuragini meint aber, das hat mit erwachsen werden nicht viel zu tun, ich glaube eher, daß du eine neue Richtung einschlägst, du setzt dich auf ein anderes Gleis, es ist nicht mehr dein altes Gleis. Dieses neue Gleis liegt wo anders. Vielleicht ist es ein Gleis, das dich zu dir führt, jedoch weit weg von dem, was sonst üblich ist, was du bisher warst. Tut dir das leid? Vermißt du nun die alte Sicherheit oder Gemütlichkeit? Was sie sagt, empfinde ich als eine Bedrohung, das Risiko, dies alles plötzlich zu verlieren ist sehr groß, davor habe ich Angst, daß es alles nur ein Traum oder sowas ist, und dann nichts mehr ist. Doch besser nichts als jenes gewöhnliche Leben.

ب ب ب ب ب ب ب ب ب ب ب

Im Blauen Haus sprechen wir viel nun über die Gesellschaft und ihre Einflüsse und Ziele. Anuragini sagt, heute sprechen alle darüber, daß die Gesellschaft dies und das mit uns macht. Tantra aber will dich darüber hinaus führen, nichts Gemachtes. Im Tantra bekommst du das Angebot, ganz du zu sein, so wie du von Anfang an geschaffen wurdest, in eigener Verantwortung. So wie du als Mensch, als Stefan einzigartig bist — eben nicht nach den Mustern einer Gesellschaft, in die du zufällig hinein geboren wurdest.

Ein wenig erzähle ich davon einer meiner Schwestern, sie ist vier Jahre jünger als ich, und obwohl sie noch so jung ist, versteht sie mehr als ich dachte. Sie hat nicht nur Verständnis, sie merkt auch etwas, und ich habe Hoffnung, daß sie so einen Weg auch mal finden wird. Ich biete ihr an, wenn sie mag, mehr zu hören. Doch erstmal kommt es nicht dazu. (Später wird sie studieren und den Sohn eines reichen Unternehmers heiraten und lange Jahre in dieser Familie eine schöne Wirkung entfalten, doch eine Tantrika wird sie nicht — dafür dann aber ihre Tochter! ... so sehr, daß sie einige Jahre in Indien leben wird, im Himalaya-Gebirge bei Tantra-Leuten in einer Art Kloster oder so)

Und in der Schule? Da wird mein Abstand zu den anderen und zum Schulbetrieb immer größer. Ich liebe Sport, doch den Rest? Sport ist Körper-Erleben, da kann ich mich ganz hingeben, im Hockey, Langlauf durch die Wälder, Schwimmen in Seen, in den Ferien durchs Wattenmeer laufen, fast nackt und die Überraschungen und Risiken der Natur ein wenig fürchtend — überall bin ich der Natur meines Körpers sehr nahe, auch der Natur da draußen. Irgend jemand zeigt mir — ich glaube es war der Sportlehrer —, wie ich alles, was im Körper geschieht, genau beobachte, es bewußt erfahre. Doch zur Enttäuschung des Sportlehrers habe ich keinen Leistungsehrgeiz, es macht mir nur riesige Freude, das alles zu erleben und zu beobachten, die Kühle des Windes auf meiner nackten Haut beim nackten Laufen durch den strümischen Herbstwald, von fallenden Blättern durchweht.

Dann kann ich noch am Latein und an Geschichte etwas finden und einiges lernen — und das wird mir später im Leben sehr nützlich sein, wenn ich weitere Sprachen lerne, besonders Sanskrit und Pali aus dem alten Indien.

Der Rest der Schule wird immer schwieriger — und mit Mühen ist ein Sitzenbleiben zu vermeiden. Die Lehrer fragen sich, welches wohl mein Weg sein wird, versuchen aber zu verstehen, daß das nun mal so eine jugendliche Wandlungszeit ist. Mir kommt das alles so unwesentlich vor — dieses Anhäufen von Wissen ohne Wirklichkeit — alles so im Kopf. Meine Mutter versteht zwar etwas von dem, was in mir vorgeht, doch sie sagt: das Leben ist nun mal so, daß du nur durch Wissen und Können einigermaßen zufrieden leben kannst. Ohne das wird es zu schwierig. Doch am Ende mußt du das für dich selbst entscheiden, immerhin kann man ja das Abitur auch noch später nachmachen, wenn es auch vielleicht schwerer wird, viel schwerer.

So also ist es außerhalb meines neuen Lebens, ich meine des neuen Lebens im Blauen Haus. Ich verstehe, auch das ist ein Teil dessen, mit dem ich zu tun habe. Doch jetzt will ich ins Blaue Haus zurückkehren — weltfremd mögen manche mich nennen. Ich bin nicht sicher, ob das stimmt ...



Nun weiter im Buch 5 - http://RagiundStefanFuenf.blogspot.com

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